Blues im Blut
Marcus van Langen ist einer von denjenigen immer seltener werdenden Individualistentypen, denen ihre kuenstlerische Identitaet ueber alles geht. Geboren im letzten Drittel des 20ten Jahrhunderts, haelt der im bayerischen Kurort Bad Toelz residierende Mittelalter-Musiker, Hexenmeister und Zivilisationsfluechtling bis heute mit bewundernswert bestaendiger Attituede an seinen nonkonformen Auffassungen fest. Wie sich das eben auch gehoert. Der loeblich vielseitige Gesangs- und Instrumentenmann froent im Zuge kreativen Betaetigungsdranges nur zu gerne dem Spiel mit der Cister und dehnt emsig die Saiten seiner Teufelsklampfe, aber auch in die oeffnung seiner Schalmei pustet der Ungewoehnliche mit unermesslicher Hingabe. Der Mensch sehnt sich nach der ueberschaubaren Zeit des Mittelalters , sagt Marcus mit dem hierbei vollauf berechtigten Brustton der ueberzeugung und das aktuelle neue Langspielalbum seiner verschworenen Klang-Sippe, Schwarze Kunst , bietet Inhabern solcherlei Neigungen eine hoechst probate Verwirklichungsmoeglichkeit an. ueberhaupt, die mit aller denkbaren Bedacht dargebotenen Liederwerke dieser selten faehigen Spielleute sind eine ueberaus organisch anmutende Edelmixtur aus den interessantesten Moeglichkeiten des gesamten Genres ueberhaupt. Ich selbst mache ja bereits schon sehr lange Mittelaltermusik eigentlich begann das Ganze mit meiner Suche nach dem deutschen Blues, welche mich damals nach einem langem musikalisch jedoch recht unbefriedigendem Amerikaaufenthalt auf die Spuren der mittelalterlichen Minnesaenger fuehrte , fuehrt uns Soundmagier Van Langen in seine Welt ein, und erklaert noch: Dort verbrachte ich viel Zeit in Kalifornien, wo ich den grossen Bluesmann John Lee Hooker traf was mich sehr gepraegt hat. Und die reinste Form eines Minneliedes, das so genannte `Tagelied` ist naemlich von Metrik, Form und Inhalt her dem Blues sehr aehnlich. Vom Blues zum Minnelied ist es nur ein ganz kleiner Schritt, behaupte ich. Wir haben also den Blues hier auch selbst in unserer eigenen Kultur. Denn ich glaube nach all meinen gemachten Erfahrungen nicht, dass die Amis in Sachen Musikkultur etwas haben, was wir hier bei uns nicht selbst haben. Ich gebe dir dahingehend Recht, dass es sich bei beiden Stil-Richtungen primaer um die Vermittlung beziehungsweise den Transport von tragischen Emotionen handelt. So trieb der gute Marcus laut eigener Aussage von 1993 an sein schoepferisches Unwesen in diesem Sinne; zunaechst noch als reiner Folk- beziehungsweise Minnesaenger und Strassenmusikant in entsprechend mittelalterlicher Gewandung, bevor er dann den naechsten Schritt vom Minnesaenger zum Spielmann des Mittelalters vollzog. Er erzaehlt mir in aller heraus hoerbaren Menschlichkeit: Die Eigenkomposition `Des Teufels Lockvogel`, in mittelalterlicher Art komponiert, wurde schliesslich Namensgeber fuer meine 1998 gegruendete Mittelaltergruppe Des Teufels Lockvoegel. Parallel dazu betreibe ich seit 1994 noch meine Van Langen Band, welche sich musikalisch und lyrisch ebenfalls mittelalterlichen Kontexten widmet sozusagen die Rockversion unserer Mittelaltermusik. Die Bezeichnung fuer Spielleute als des Teufels Lockvoegel ist aus mittelalterlichen historischen Quellen uebernommen, so Marcus. Ja, dieses `Schimpfwort` betitelte alle Fahrenden und Heimatlosen, speziell jedoch die damaligen Musikanten, da sie durch ihre Musik die Menschen zum Tanzen, Trinken und Froehlichsein animierten. Aber ganz genau in dieser Richtung sehen wir unsere musikalische Mission, denn seit Jahren gibt es ja kaum noch etwas richtig Neues auf dem Markt. Es tauchen leider immer mehr Nachahmer auf, die jedoch in der Regel lediglich kopieren. Im guenstigsten Falle werden dabei noch die bewaehrten Vorgaben verschlimmbessert. Erstaunlicherweise kommen die wirklich interessanten Sachen ehrlich gesagt zumeist von den alten erfahrenen Hasen des Metiers. So ist es unser eigener Anspruch, den Leuten immer wieder etwas Frisches und Neues zu offerieren, um sowohl alte als auch neue Hoerer in die Mittelalterszene hineinzubringen. Wenn man aber diese Art von ganz spezieller Klangkunst bereits so lange macht wie Marcus selbst, ist man dadurch natuerlich auch immer tief und gut in seiner Sache drin, so der Multiinstrumentalist und Freigeist: In gewisser Art und Weise haben wir das grosse Mittelalterschiff ja auch mitgebaut; das heisst, wir gehoeren auch zweifellos zu denjenigen, die Veraenderungen daran vornehmen. Beispielsweise meine aktuelle Version der `Rabenballade` auf dem neuen Album das ist ganz klarer Blues , laesst die zwischenmenschlich erfreulich umgaengliche Bad Toelzer Passionsseele verlauten. Aber, wo sieht sich einer wie Marcus van Langen angesichts solcherlei Anspruchs an das eigene Schaffen denn eigentlich selbst inmitten all der unzaehligen Horden von Mittelaltermusikanten beziehungsweise welche Kollegen-Werke schaetzt er? Die ehrliche Antwort kommt ohne Umschweife: Das Einzige, was ich hier ganz konkret dazu sagen moechte, ist: Das wirklich Beste und Innovativste, was im letzten Jahr 2007 ueberhaupt in Sachen Mittelalterlieder erschien, war die geniale Solo-CD von Castus Rabensang, ansonsten bei Corvus Corax dabei. `Rabensaenge` ist ein echtes Klassealbum, ich habe mich riesig darueber gefreut. Das zeigt den richtigen Weg auf, das ist zur Abwechslung mal etwas ganz Anderes als der von mir zuvor angesprochene beziehungsweise kritisierte ewige Einheitsbrei.
© Markus Eck (01.06.2008) www.metalmessage.de